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Bezahlbare Wohnungen für Alle! Offener Brief, Worms.

  • von
Rathaus Worms

Offener Brief vom Helferkreis Asyl Worms e.V.

an die im Stadtrat der Stadt Worms vertretenen Parteien und Mitglieder im Beirat für Migration und Integration

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach lnformationen der Wormser Zeitung

http://www.wormser-zeitung.de/lokales/nachrichten-rhein-neckar/helferkreis-asyl-worms-kritisiert-umgang-der-stadt-mit-fluechtlingen_18710068.htm

hat die Stadtverwaltung Worms in den vergangenen Jahren 106 Wohnungen bei privaten Vermietern zur Unterbringung von vorwiegend anerkannten Flüchtlingen requiriert. Dafür wurde nach Informationen von Frau Ripie r-Kramer eine Personalstelle im Sozialamt geschaffen und aus Mitteln der „Integrationspauschale“ finanziert. Die Stadt übt das Belegrecht für die angemieteten Wohnungen aus, die Miete wird bei Flüchtlingen mit Aufenthaltserlaubnis durch das jobcenter (nach einer „Abtretungserklärung“ direkt an das Sozialamt) gezahlt.

Ich begrüße ausdrücklich diese auch in anderen Kommunen bewährte Maßnahme zur Entschärfung der Wohnungsnot.

Diese Praxis hat sich offensichtlich verändert: bisher haben sich 22 Fluchtlinge bei unserer Initiative darüber beschwert, dass sie per mündlicher Ansage einer Sozialamtsmitarbeiterin,

d.h. ohne schriftliche, fristgemäße Kündigung, bzw. Verfügung, ohne Widerspruchsrecht die bisherige Wohnungen innerhalb einer Frist von wenigen Tagen verlassen und in Sammelunterkünfte umziehen sollten. Bis auf acht Flüchtlinge (s.:„Syrische Fluchtlinge wehren sich gegen Hausbesitzer und Sozialamt!“ https://www.asylworms.de/syrische-fluechtlinge-wehren-sich-gegen-hausbesitzer-und-sozialamt/

folgten die anderen Betroffenen aus Angst vor negativen Konsequenzen der Aufforderung.

An der Rechtmäßigkeit dieser Umsetzung bestehen erheblich Zweifel, die betroffenen Flüchtlinge sehen bittere Erfahrungen aus ihrem Herkunftsland bestätigt, ihr Vertrauen in den deutschen Rechtsstaates ist erheblich gesunken.

Bemerkenswert sind die Reaktionen von Rechtspopulisten auf den Artikel in der Wormser Zeitung: https://www.facebook.com/wormserzeitung/posts/1635443716511499

Im o.e. Artikel der WZ legitimiert Herr Herder die Vorgehensweise des Sozialamtes:

Da er verpflichtet sei, sorgsam mit Steuergeld umzugehen, könne es nicht angehen, für teures Geld Wohnungen anzumieten, andererseits aber Räume in den Gemeinschaftsunterkünften frei zu lassen. Bislang habe man einen Mix von 50 Prozent in Wohnungen (Familien) und 50 Prozent in den Sammelunterkünften (alleinstehende Männer) angestrebt. „Das werden wir jetzt im Verhältnis 40 zu 60 verschieben“, kündigte der Sozialdezernent an.“

Abgesehen davon, dass bei der Unterbringung in Sammelunterkünfte zusätzliche Kosten durch das notwendige Personal (Wachdienst, Hausmeister, Reinigungskräfte, Biiro-Angestellte, …) entstehen, wird die Integration von Flüchtlingen bei einer Unterbringung in Sammelunterkünfte erschwert. Trotz anderslautender Beteuerungen kann nicht die Rede davon sein, dass die Bewohner beispielsweise der beiden Containerlager (Salamander- Gelände und Motorpool-Gelände) einen nachhaltigen Kontakt zu deutschen Nachbarn gefunden hatten. Konflikte zwischen den Bewohnern von Sammelunterkünften nehmen zu: wer nicht nur monatelang, sondern über Jahre (in Einzelfällen: 9 Jahre in der Wormser Männerunterkunft) auf engstem Raum zusammen leben muss, kennt die Auseinandersetzungen um Wasch-, Reinigungs-, Trocken-und Kochgelegenheiten. Konflikte unter Erwachsenen entzünden sich auch am Verhalten der Kinder, denen Spiel-und Bewegungsmöglichkeiten in Sammelunterkünften erheblich eingeschränkt sind. Flüchtlinge berichten über psycho-somatische Erkrankungen, die in Sammelunterkünften verstärkt auftreten, die von Ärzten, Psychologen und wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigt werden.

https://www.fh-dortmund.de/de/hs/medien/Was-wir-ueber-Fluechtlinge-nicht-wissen.pdf

Wichtige Vorschläge von Wohlfahrtsverbänden

http://www.liga-rlp.de/fileadmin/LIGA/Internet/Downloads/Termine___Veranstaltungen/Termine-Veranst_2015/Mindeststandards_f%C3%BCr_die_Unterbringung_von_Fl%C3%BCchtlingen_in_Rheinland-Pfalz-Vorschl%C3%A4ge_Fachtagung_16.04.2015.pdf

vom Bundesfamilien-Ministerium zu Mindeststandards in Flüchtlingsunterkünften

https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/mindeststandards-zum-schutz-von-gefluechteten-menschen-in-fluechtlingsunterkuenften/117474

wurden von der Wormser Stadtverwaltung und dem Betreiber der Unterkünfte bisher nicht umgesetzt.

In einigen Fällen konnten die betroffenen Fluchtlinge nach der Kündigung des Mietvertrages zwischen der Stadtverwaltung und dem privaten Vermieter eigene Mietverträge abschließen. In einem konkreten Fall bedeutete dies für drei syrische, alleinstehende Flüchtlinge mit Aufenthaltserlaubnis, dass der Vermieter für die bisherige Wohnung drei Einzelmietverträge zu je 285,80 Euro Kaltmiete + Umlagen anbot, die das jobcenter übernahm. Gesamtkosten für diese Wohngemeinschaft: 855 Euro Kaltmiete, mit Umlagen ca 1300 Euro bei 80qm Gesamtfläche. Da der zwischen der Stadt Worms und dem Vermieter bisherige Mietvertrag nicht offengelegt wurde, ist nicht bekannt, wie hoch die Miete ursprünglich war. Nach den Worms gültigen „Angemessenheitsgrenzen“ könnte sie bei 388, 80 Euro gelegen haben. Die Erhöhung der Miete um mehr als 100% könnte ein lukratives Geschäft des Hausbesitzers sein, die seit 1. Januar 2015 geltende gesetzliche Mietpreisbremse würde außer Kraft gesetzt.

Die Behauptung von Herrn Herder, dass er „sorgsam mit Steuergeldern umgehen“ müsse, wird auf diese Weise konterkariert. Seine formulierte Position zum Primat der (vermeintlichen) „Wirtschaftlichkeit“ durch Umsetzung von anerkannten Flüchtlingen in Sammelunterkünfte gegenüber der dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungen wurde meines Wissens weder im Beirat für Migration und Integration noch im Stadtrat thematisiert.

Der Helferkreis Asyl Worms e.V. hat mehrfach Probleme bei der Unterbringung von Flüchtlingen – auch öffentlich – thematisiert. Es wäre wichtig, dass die in den Beirat für Migration und Integration und in den Stadtrat und seine Ausschüsse gewählten Parlamentarier sich ebenfalls kontinuierlich mit der Wohnungsnot von Flüchtlingen befassen, Betroffene anhören und zu Wort kommen lassen.

Unsere Initiative ist zu einer konstruktiven Zusammenarbeit bei der Bestandsaufnahme, Diskussion und Problemlösung gern bereit.

Worms, 10.5.2018 Mit freundlichem Gruß,
Angelika Wahl

(Vorsitzende vom Helferkreis Asyl Worms e.V.)

www.asylworms.de www.facebook.com/asylworms

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