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Mann aus Afghanistan klagt gegen Abschiebung, Presseartikel aus der Wormser Zeitung

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Mann aus Afghanistan klagt gegen Abschiebung

Aus der Wormser Zeitung von Ulrike Schäfer:
http://www.wormser-zeitung.de/lokales/worms/nachrichten-worms/fluechtlinge-in-worms-mann-aus-afghanistan-klagt-gegen-abschiebung_17621465.htm

WORMS – Mohammad Farid Wardak (32) zeigt Fotos von seinem Dorf Goli Kheyl in der zentralafghanischen Provinz Wardak. Stolz und Wehmut schwingen in seiner Stimme mit. Eigentlich sei es ihm in seiner Heimat sehr gut gegangen, erzählt er im Gespräch mit der WZ, an dem auch Angelika Wahl vom Helferkreis Asyl, der Übersetzer Chenargol Chamgin und der Afghane Arash Balkhi teilnehmen. Mohammad Farid Wardak droht die Abschiebung, und nun berichtet er von seinem Schicksal.

Er habe eine Frau und vier Kinder, habe Biologie und Chemie studiert und sei von Juni 2011 bis September 2013 als Lehrer in einem Alphabetisierungsprogramm der afghanischen Armee in Kandahar tätig gewesen. Später habe er bei der Hewad Dost Group in Masar-e Sharif gearbeitet, die die deutschen, französischen und amerikanischen Stützpunkte logistisch unterstützt. Warum hat er Afghanistan am 1. März 2015 verlassen?

Ehemaliger Klassenkamerad entführt sechsjährigen Sohn

Den Taliban, die in der Region Wardak sehr einflussreich sind, war seine Arbeit bei den „Ungläubigen“ ein Dorn im Auge. In Kandahar selbst hatten sie keine Chance, Mohammad anzugreifen, deshalb schickten sie seinem Vater mehrere Drohbriefe, dass er seinen Sohn veranlassen solle, den Job aufzugeben. Als Mohammad einmal zu Besuch in seinem Dorf war, drangen sie in sein Haus ein, und weil er gewarnt worden war und sich versteckt hatte, nahmen sie den sechsjährigen Sohn mit. „Der Entführer war ein Klassenkamerad von mir“, sagt Mohammad bitter. Einer Delegation des Dorfes gelang es schließlich, Kontakt mit den Taliban aufzunehmen und nach sieben Tagen die Freilassung des Kindes zu erwirken. „Der Kleine war völlig verstört“, erzählt Mohammad. „Er hat drei Tage lang nur geweint. Eine Zeit lang hatten wir dann Ruhe.“ Und er fährt fort: „Die Amerikaner bauten in unserem Dorf eine Kaserne und gingen gegen die Taliban vor. Dann zogen sie ab, und mein Vater wurde erneut unter Druck gesetzt. Die Taliban verlangten 100 000 Dollar von ihm oder meine Auslieferung. Als er sich weigerte, wurde er zwei Monate lang weggesperrt.“ Nun war Mohammad endgültig klar, dass er der Verfolgung der Taliban nicht entgehen und dass seine Familie niemals Ruhe haben würde, solange er im Land war.

Er floh über Pakistan, Iran und die Türkei nach Bulgarien. An der Grenze wurde er mit Hunden und Gewehren empfangen und dreimal in die Türkei zurückgebracht. Schließlich gelang es ihm, über Serbien nach Deutschland zu kommen. Derzeit wohnt er in Flörsheim-Dalsheim. Dass er als Lehrer für Chemie und Biologie arbeiten kann, ist derzeit noch Zukunftsmusik. Noch fehlen ihm die erforderlichen Deutschkenntnisse, noch die entsprechenden Abschlüsse. So macht er zunächst einen Sprachkurs beim CJD (Christliches Jugenddorfwerk Deutschlands) und plant ein Praktikum in der Krankenpflege.

„Es liegt keine persönliche Gefährdung vor“

Nach der Anhörung am 21. Oktober 2016 in Trier wurde ihm nun mitgeteilt, dass er Deutschland innerhalb von 30 Tagen zu verlassen habe. Seine Berichte seien nicht glaubhaft und er sei ja auch gar nicht persönlich gefährdet, argumentiert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Der 19-jährige Arash Balkhi, der schon seit vier Jahren in Worms lebt und zumindest bis 2018 bleiben darf, bestätigt, was Mohammad erzählt. „Die Taliban machen, was sie wollen, sie schrecken vor nichts zurück“, sagt er in sehr gutem Deutsch. „Sie haben auch die Polizei unter Kontrolle.“ Er ist bei dem Gespräch dabei, um zu berichten, dass sein 15-jähriger Bruder auf dem Weg zu ihm in Bulgarien festgehalten wird. Er weiß, dass die Lage für Flüchtlinge in Bulgarien katastrophal ist.

Mohammad Farid Wardak hat mittlerweile Klage gegen den Abschiebungsbescheid erhoben. Ob er Erfolg damit hat, wird sich zeigen