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„Freiwillige Rückkehr“ nach Afghanistan ?

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Diese Pressemitteilung vom Helferkreis Asyl Worms e.V. kann gern weitergeleitet werden. Die Ausländerbehörde Worms hat die Einladungen zur „freiwilligen Rückkehr-Beratung“  – ohne erkennbare Veranlassung – u.a. an afghanische Flüchtlinge geschickt, die seit Jahren geduldet werden, integriert sind, berufstätig sind, bzw. eine qualifizierte Ausbildung machen. Sie wurde eritreischen Flüchtlingen geschickt, die bei einer Rückkehr in ihre Heimat mit hoher Wahrscheinlichkeit ins Gefängnis kämen. Flüchtlinge, die eine erfolgsversprechende Klage gegen einen Ablehnungsbescheid einreichten, wurden ebenfalls zu einer „freiwilligen Rückkehr-Beratung“ eingeladen. Ich bitte euch/Sie, betroffene Flüchtlinge in eurem/ Ihrem Umfeld ausdrücklich auf die „Freiwilligkeit“ hinzuweisen und evtl. Panik-Reaktionen vorzubeugen.

Nach Rückmeldungen von Flüchtlingshelfern in anderen rheinland-pfälzischen Städten scheint die Wormser Ausländerbehörde wieder einmal eine besondere Vorreiter-Rolle spielen zu wollen.

Mit freundlichem Gruß, Angelika Wahl (Helferkreis Asyl Worms e.V., Tel. 06241 499 0120


Pressemeldung:

Vor wenigen Tagen erhielten Flüchtlinge aus Afghanistan (und anderen Herkunftsländern) ein Schreiben der Wormser Ausländerbehörde, die eine Beratung zur „freiwilligen Rückkehr“ ins Herkunftsland anbietet und eine finanzielle Unterstützung in Aussicht stellt. (Von NGO’s wird der finanzielle Zuschuss auch als „Hau-ab-Prämie“ charakterisiert.) Entsprechende Plakate hängen bereits seit geraumer Zeit an den Türen der Ausländerbehörde und in den Sammelunterkünften.

Da die meisten Betroffenen das in Deutsch verfasste Schreiben nicht ausreichend verstanden, löste es erhebliche Unruhe aus. Einige der Betroffenen konnten von ihren Rechtsanwälten, von den BeraterInnen des Helferkreises Asyl Worms e.V. beruhigt werden u.a. mit dem Hinweis darauf, dass die Landesregierung in Rheinland-Pfalz die Lage in Afghanistan nicht als sicher betrachtet, deshalb nicht zur Rückkehr rät und nur in sehr wenigen Ausnahmefällen geplanten Abschiebungen zustimmt.

Zur Lage in Afghanistan einige Fakten:

  • 3.498 Tote, 7.920 Verletzte – insgesamt 11.418 Opfer hat die UNAMA (United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) in ihrem Jahresbericht für 2016 dokumentiert. Knapp ein Drittel der zivilen Opfer im Jahr 2016 waren Kinder (3.512).
  • Seit vier Jahren steigt die Zahl der Binnenvertriebenen, die in anderen Regionen Afghanistans eine Zuflucht suchen, kontinuierlich an, die Gesamtzahl liegt bei über 1,8 Millionen Menschen.
  • Mehr als 38.000 Afghanen sind seit Beginn des Jahres vor der Gewalt in ihrer Heimat geflohen. Für das Gesamtjahr sei ein starker Anstieg der Flüchtlingszahlen zu befürchten, erklärte das UN-Büro zur Koordinierung humanitärer Hilfe, OCHA. Die humanitäre Lage verschlechtere sich immer weiter.
  • In Afghanistan werden in diesem Jahr mehr als 400.000 Kinder nicht weiter zur Schule gehen können. Das teilte die Kinderschutzorganisation Save the Children mit. Wegen anhaltender Kämpfe seien im ganzen Land etwa 1.000 Schulen geschlossen.

Wer sich mit dem Bericht des UNHCR und den Einschätzungen unabhängiger NHO’s zur Lage in Afghanistan befasst, kann nicht ernsthaft zu einer „freiwilligen Rückkehr“ nach Afghanistan raten.

Was soll also diese erneute Initiative der Ausländerbehörde, die für die Sachbearbeiter ebenso wie für die haupt-und ehrenamtliche Flüchtlingshelfer zusätzliche und überflüssige Arbeit sowie unnötige Kosten verursacht, die Betroffene in Angst und Schrecken versetzen kann?

Notwendig wäre, über die Lage in Afghanistan, über Möglichkeiten einer Bleibe-Perspektive in Deutschland umfassend zu informieren statt einseitig die Rückkehr – möglicherweise in den Tod – als alternativlos darzustellen.

 

Während für die „freiwillige Rückkehr-Beratung“ Zeit und Geld locker gemacht wird, reicht die hauptamtliche Asylverfahrens-Beratung in Worms schon lange nicht mehr aus, um alle in Worms wohnende Flüchtlinge im Asylverfahren adäquat zu begleiten, fristgemäß auf Ablehnungsbescheide zu reagieren, bei der Suche nach Rechtsanwälten und Dolmetschern zu helfen. Auch der Helferkreis Asyl Worms e.V., der – mit Unterstützung von 2 Rechtsanwälten – wöchentlich ca 60 Stunden unbezahlte ehrenamtliche Arbeit für Flüchtlinge aufbringt, stößt zunehmend an seine Grenzen. So bleiben Flüchtlinge auf der Strecke, weil sie die, in unserem Rechtsstaat geltenden Gesetze nicht ausreichend kennen und verstehen und sie deshalb auch die möglichen Rechtsmittel gegen negative Bescheide zu ihrem Asylantrag nicht in Anspruch nehmen.

Der Helferkreis Asyl Worms e.V. fordert deshalb von der Landesregierung und der Stadt Worms:

  • eine bedarfsgerechte finanzielle Förderung für die Ausweitung der hauptamtlichen, unabhängigen Asylverfahrens-Beratung bei einem Wohlfahrtsverband;
  • eine bedarfsgerechte  Förderung von kostenfreien Fortbildungen zu Grundlagen des Asylverfahrens für haupt-und ehrenamtliche Betreuer von Flüchtlingen durch unabhängige Juristen.

 

Für solche Maßnahmen hat die rheinland-pfälzische Landesregierung  zusätzliche finanzielle Bundesmittel für das Haushaltjahr 2017 an die Kommunen weitergegeben. Sie sollten entsprechend verwendet werden.

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